Tobias’ Vater war erstaunt. Da wollte er seinem Sohn für sein Zimmer im neu bezogenen Einfamilienhaus einen nagelneuen Flachbild-Fernseher schenken, doch dieser lehnte rundweg ab. Denn für einen Fernseher habe er keine Verwendung. Alles, was er sehen wolle, würde er über unterschiedliche Apps und Angebote auf sein Handy oder sein Tablet streamen.
Der globale Kampf um die Seher*innen
Dass das Fernsehen sich verändert hat, ist eine Binsenweisheit. Jedoch lohnt sich der genaue Blick auf die lokalen und globalen Entwicklungen, denn ähnlich wie bei Information, Shopping oder Social, tobt ein erbittert geführter Kampf um Nutzer*innen und Marktanteile auch im Bereich des Bewegtbild-Contents. Und ebenso wie in den anderen Bereichen gibt es eine Handvoll globaler Riesen, die mit unerschöpflich erscheinenden Kriegskassen die Berichterstattung dominieren.
Amazon soll für „Ringe der Macht“, seine am 2. September startende Serien-Adaption des Tolkien-Klassikers „Herr der Ringe“, in Summe 1 Milliarde (!) USD bereitgestellt haben. Netflix, das im ersten Halbjahr aufgrund von Preiserhöhungen in den USA und Kanada zum ersten Mal rund eine Million Seher*innen verloren hat, investiert ebenfalls massiv. Die neue Staffel der Blockbuster-Serie „Stranger Things“ soll 30 Millionen USD pro Folge (!) verschlungen haben.
Die globalen Anbieter investieren aber auch massiv in lokale Angebote, wie Dokus und Serien mit Themen aus unterschiedlichsten Nationen in Asien, Lateinamerika und Europa in der jeweiligen Landessprache – denn dort sehen sie Potenziale und Wachstumsmöglichkeiten.
In vielen dieser Märkte haben sich bereits regionale Anbieter*innen etabliert. Beispielhaft sei ViX genannt, die größte spanischsprachige Streaming-Plattform von Lateinamerika bis in die USA. In Europa ist Sky der größte originär europäische Player, mit einer mehrere Jahrzehnte umfassenden Geschichte, der neben anderen lokalen Anbietern, wie z. B. dem schwedischen Viaplay mit 69 % Nutzer*innenzuwachs auf 5,5 Millionen im letzten Jahr und strategischer Ausrichtung in ganz Skandinavien und Großbritannien, den globalen Anbietern das Leben schwer machen.
In praktisch jedem nationalen Markt entstehen Angebote, die der Überzahl der globalen bzw. US-amerikanischen Angebote wie, neben den oben genannten, auch Apple+ oder Paramount+ (soll im Winter starten), Paroli bieten wollen. Nur die klassischen TV-Konzerne (Bertelsmann, Viacom, ProSiebenSat1) tun sich bisher schwer, ihre Angebote in überzeugende Streaming-Angebote zu verpacken. Zu stark hängen sie traditionsgemäß an der linearen TV-First-Ausstrahlung ihrer Highlights.
Neben durch Sprache und Region abgegrenzten Angeboten gibt es aber unzählige Nischen-Angebote nach Themen und Anbietern. Nichts ist undenkbar. Von der globalen Organisation der Triathleten (PTO – Professional Organisation of Thriathletes), die ein eigenes Gratis-Streaming-Angebot global anbieten wollen (außer in Europa und Indien, wo – um die Komplexität zu erhöhen – Warner Bros. Discovery die Rechte gekauft hat) bis hin zu den über die Spiele-Streaming-Plattform Twitch bekannt gewordenen Schach-Streamerinnen Alexandra und Andrea Botez, die für ihre 1,1 Mio. Follower eine eigene Show und einen Kanal rund um das Thema Schach gründen.
Relevanter ist vielleicht das kommende globale Streaming-Angebot der NFL (der US-amerikanischen National Football League.) Die Liste lässt sich endlos fortsetzen; die Summe der Nutzung teilt sich auf immer mehr Plattformen auf und verringert die klassische TV-Nutzung unaufhaltbar.
An dieser Stelle wagen wir die Vorhersage, dass Spotify in den nächsten 12 Monaten ihr Angebot vom reinen Audio hin zu Video ergänzen wird…
Und in Österreich?
Jede Menge Angebot also für Tobias, und kein Wunder, dass er täglich 114 Minuten damit verbringt, Bewegtbild-Content zu nutzen (Quelle: GfK 2022 Bewegtbildstudie A 14-29). Wie können er und die anderen österreichischen Seherinnen und Seher noch mit Werbung erreicht werden?
Auf der einen Seite ist die Nutzung aller Arten an Video-Content auch hierzulande stetig steigend. Unglücklicherweise wird dies von der veralteten Methodik der zentralen TV-Nutzungsmessung TELETEST nicht abgebildet; sie zeigt sich in den TELETEST-Zahlen nur durch sinkende Reichweiten und steigende TKPs. Einer von vielen aktuellen Diskussions-Punkten rund um die klassische TV-Währung.
Die einmal jährlich durchgeführte Bewegtbild-Studie zeigt einen massiven Anstieg der sogenannten Video-Nutzung (also alles, was nicht klassisches TV ist) von rund 23,5 % auf 31,3 % im letzten Jahr, bei gleichzeitigem Rückgang der klassischen TV-Nutzung. Ein komplexes Feld aus Programmanbietern, Aggregatoren und Portalen.
Auf der anderen Seite sind die Möglichkeiten, Werbung zu schalten, noch vielfältiger. Hier spielen neben unterschiedlichsten Formaten auch noch zusätzliche Anbieter wie dezidierte Spezial-Apps oder Hardware-Anbieter mit.
SamsungTV kooperiert sehr erfolgreich mit Goldbach Media im Werbeverkauf und erreicht über alle seine Angebote (wie Rakuten, Discovery, Pluto usw.) allein 2 Millionen Menschen am Big Screen. IP Österreich konnte ebenfalls schon Kampagnen im CTV-Bereich (=Pre-Rolls in Apps u. ä. am Big Screen) mit bis zu 500.000 AdImpressions durchführen. ProSiebenSat1Puls4, der dritte große lokale Anbieter für Video-Werbung, die über das lineare TV hinausgeht, kann zu ihrem Angebot nichts sagen, außer dass es sich bis Ende des nächsten Jahres verdrei- oder vervierfachen wird. (Was genau sich verdrei- oder vervierfachen wird, überlassen sie der Fantasie der Werbekund*innen …)
Für uns ist der spannendste Aspekt an dieser Entwicklung, die Vielfalt der Möglichkeiten zu nutzen, um für unsere Werbekund*innen innovative Optimierungs-Möglichkeiten ihrer Kampagnen zu finden. Die neuen Angebote, die sich hinter einer Vielzahl an Akronymen wie ATV, CTV, OTT usw. verstecken (siehe Glossar), bieten die Möglichkeit, die verlorene Nettoreichweite klassischer TV-Kampagnen zu kompensieren. Oder Digital-Only-Kampagnen im hochaufmerksamen Umfeld zu fahren. Nach unserem ersten Eindruck ist auch zum ersten Mal sinnvolle Regionalisierung selbst in sehr kleine geografische Einheiten möglich, womit ein lange schon schwelendes Problem der klassischen Online-Werbung gelöst würde.
Wir können Sie aber nicht nur in der optimalen Auswahl aus dem breiten Angebot an Möglichkeiten beraten, wir sind auch in der Lage, den Impact dieser Schaltungen auf die Performance Ihrer klassischen TV-Kampagne zu berechnen. Dazu in Kürze mehr.
Wir sind schon länger überzeugt, dass Markenbildung auch im digitalen Bereich funktioniert, wenn die Balance zwischen hart gemessenen KPIs und emotionalem Impact gut getroffen wird. Die neuen Möglichkeiten am großen Bildschirm ergänzen lineares TV als traditionell stärksten Werbekanal zur Markenbildung und werden es in nicht allzu langer Zeit ersetzt haben.
Für Fragen und Details stehen wir wie immer gerne zur Verfügung.
Übrigens, die gemeinsamen Fortnite-Spiele zocken Tobias und sein Vater weiterhin am großen TV-Schirm im Wohnzimmer. Aber eGaming ist dann nochmal eine ganz andere Geschichte.